Hier soll um Brushless-Antriebe für das altbekannte Bingo-Race von ToysPort gehen. Irgendwie kennt jeder diese Bötchen, aber ich habe schon seit langer Zeit keins mehr mit einem vernünftigen (im Sinne von alltagstauglichen) Antrieb gesehen.
Ich habe im Lauf des letzten Jahres diverse Antriebs-Systeme für das Bingo-Race zusammengesucht & getestet.
Dazu war bei praktisch jeder Fahrt ein Unilog von SM-Modellbau/Stephan Merz mit an Bord. Die relevanten Werte für Spannung, Strom & Drehzahl wurden damit aufgezeichnet und anschließend am Rechner analysiert.
Später kam auch die Kombination aus Unilog und GPS-Logger zum Einsatz, damit wurde dann auch endlich klar wie schnell das Boot eigentlich ist. Mittels Telemetrie geht das inzwischen sogar „live“.
Bingo Race_14_Logger.jpg
Ein wenig Historie
Ich kann es kaum glauben, ist das jetzt wirklich schon 15 Jahre her? Damals während meiner Studienzeit war ich total im Rennboot-Fieber und habe mich an diversen Seen zwischen Augsburg und München rumgetrieben.
Auslöser war, als ich am Münchner Mollsee zum ersten Mal ein Bingo-Race in Aktion gesehen habe und sowas musste natürlich schnellstens her.
Irgendwann hatte ich dann die ganze elektrische ToysPort Flotte… J
Ein paar Jahre später begann allerdings meine Hubschrauber-Phase und das war auch gleichzeitig das Ende der Rennboot-Phase.
Die „Green Meanie“ (der Name ist eine Anspielung auf Steve Vai’s Charvel-Gitarre aus den 80er Jahren) habe ich seinerzeit bei Josef Toth komplett in neon-grün bestellt. Ich wollte dazu aber unbedingt eine Rauhwasserkabine aus GFK und nicht das Lexan-Teil das seinerzeit öfters zu sehen war. Auf der Preisliste im Internet steht die ja…
Die Lieferung hat dann etwas länger gedauert als erwartet. Offenbar war ich der erste der so eine Haube in GFK haben wollte und daher musste Josef erst einmal eine Form dafür bauen. Mein uraltes grünes Bingo-Race ist als das erste seiner Art mit diesem Typ Haube.
Zwischenzeitlich hat es den Besitzer gewechselt (Stichwort Hubschrauber), aber seit einiger Zeit liegt es wieder bei mir im Schrank. Leider war die Ausstattung halt auch noch von damals: Blech-Bürstenmotor mit komplett oxidiertem Kollektor & Kohlen, klinisch toter NiCad-Akku und 40 Mhz Brikett-Empfänger. Wie sich die Modellbau-Welt in ein paar Jahren verändert hat…
Umstieg auf Brushless
Irgendwann habe ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Brushless-Setup gemacht. Vorlage war mein Lieblings-Antrieb von damals, ein Jamara 480 HS BB mit 8 Zellen Mignon und dem 24mm Messing-Prop von ToysPort.
Diese Antriebstechnik ist inzwischen in die Annalen der Geschichte eingegangen und nirgendwo mehr zu bekommen. Daher war es auch nichts mit Strom & Drehzahl messen, ich konnte nur anhand von alten Katalog-Daten schätzen.
Als Standard in den Bingos war seinerzeit ein Speed 400 7,2 Volt verbaut, meist sogar mit Graupner-Label. Deutlich mehr Leistung brachte der Speed 400 6 Volt an 8 Zellen. Leider war das nur ein recht kurzer Spaß, denn nach wenigen Fahrten waren die Motoren verschlissen und der Regler ging regelmäßig mit drauf.
Das gleiche passierte wenn die Motoren länger nicht benutzt wurden und Kollektor & Kohlen oxidiert waren. Wenn man da dann Spannung draufgegeben hat, sind die Motoren nach kürzester Zeit einfach durchgebrannt.
Es gab auch einige Speed 480 Race Motoren die aufgebaut waren wie RC-Car Motoren, mit auswechselbaren Kohlen, Kugellagern usw. Die haben aber von der Drehzahl her nie so richtig gepasst und waren auch relativ schwer. Sprich zu viel Gewicht im Bug und das mag das Bingo-Race gar nicht.
Schnell war klar, das aktuelle Antriebs-Angebot sieht ziemlich mau aus! Die meisten Innenläufer die noch angeboten werden drehen viel zu hoch und typische Aussenläufer dafür viel zu niedrig. …Pffft!
Auf Youtube findet man eine Menge Video zu Bingos mit Brushless-Antrieb. Aber auch hier der gleiche Eindruck: entweder der zahme Standard Bürsten-Antrieb oder hoffnungslos übermotorisiert.
Ein Fahrbild wie seinerzeit mit dem 480er Jamara suchte ich vergeblich. Sche…
Am Ende einer Internet-Recherche blieb nur ein kleiner Außenläufer übrig der eigentlich für Helis gedacht ist. Eine 6-Pol Maschine mit integriertem Kühlgebläse und rund 65 Gramm Gewicht. KV 2900 Umdrehungen pro Volt und Minute. Gemäß meinem selbstgestrickten Excel-Sheet könnte der Antrieb ganz gut passen.
Ausgebaut wurde das Bingo-Race dann mit Komponenten die ich noch übrig hatte: ein Genius 40 Brushless-Controller von Graupner nachgerüstet mit einer Wasserkühlung von Aero-Naut, Hitec HS-56 Micro-Lenkservo und ein schon etwas betagter 2S-LiPo mit 2600mAh Kapazität.
So gut wie fertig…
Das war vor gut drei Jahren, blöderweise hatte ich damals keinen kleinen 2,4Ghz-Empfänger und so ist das Bingo wieder eine Weile im Schrank liegen geblieben.
An einem verregneten Wochenende war es dann endlich soweit. Durch Zufall kam ich an einen kleinen Futaba-Empfänger der für Parkflyer gedacht war. Eine neue Welle habe ich auch noch auf die Schnelle gebastelt. Au ja, Propeller schleifen und wuchten muss auch noch sein. Meine absolute Lieblingsbeschäftigung… :-/
Als ich dann mit frisch per Tesa zugeklebtem Boot am Teich stand und zum ersten Mal wieder Gas gab hatte ich schon ein etwas komisches Gefühl in der Magengrube. Wird das jetzt eine lahme Ente oder brennt mir der Antrieb womöglich gleich bei der ersten Fahrt ab?
Was soll‘s – los!
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Aber schon nach ein paar Sekunden machte sich ein breites Grinsen auf meinem Gesicht breit, das Bingo geht mit den neuen Setup einfach Spitze! Die Drehzahl passt praktisch perfekt und die alten 2600er LiPos reichen locker für sechseinhalb Minuten Fahrzeit. Eine Punktlandung per Microsoft Excel – cool das hätte ich nicht zu hoffen gewagt!
Die nächsten Fahrten haben mir so viel Spaß gemacht das ich mir prompt bei Josef ein neues Bingo-Race bestellt habe. Und zwar die runderneuerte Variante mit neuer, superflacher Haube und Flutkanal. Ab Werk 2K lackiert (!) im Gulf-Design. Dazu später mehr. Neue Akkus gab es bei der Gelegenheit auch noch.
Leider wich die Freude über den Brushless-Antrieb schnell der Ernüchterung. Schon nach wenigen Fahrten machen sich beim Motor deutliche Verschleißerscheinungen mechanischer Art bemerkbar. Der lief bald so unrund und laut das ich Angst hatte mein Boot fliegt auseinander. Aber eigentlich hatte ich das erwartet, denn ein Rennboot das dauernd auf dem Wasser auf und ab hüpft ist wohl das Schlimmste was man der hoch drehenden und relativ langen Aussenläufer-Glocke antun kann. Wir erinnern uns: eigentlich ist das ja ein Heli-Motor.
Schei….ade, denn von der Fahrleistung her war das ein toller Antrieb. Ich vermute das sich die vom Hersteller eingebaute Wuchtmasse gelöst hat und davon geflogen ist.
Der Edel-Antrieb aus dem Bayernland
Praktischerweise ist mein Arbeitsplatz inzwischen in München-Perlach, von da aus sind es nur gut zwanzig Autominuten zum Elektromotoren- und Rennboot-Urgestein Hans Lehner. Die Firma Lehner Motoren Technik führt inzwischen Sohn Andreas.
Mit diversen Logfiles vom Unilog bewaffnet machte ich mich auf den Weg. An Hand meiner Meßdaten haben wir dann gemeinsam einen maßgeschneiderten Antrieb für das Bingo-Race zusammengestellt. Hans und Andreas hätten am liebsten einen 1515er Typ verwendet, aber ich war mir nicht sicher ob man den mit Kühlmantel noch vernünftig im Boot montieren kann. Daher ist es ein 1025er Motor geworden, mit passendem Wasserkühlmantel versteht sich. Die Drehzahl liegt knapp unter dem was der Außenläufer geliefert hat. Das war mit dem 25mm Stahl-Prop schon ein Tick zu viel, das Boot hat bei vollem Akku angefangen auf dem Stevenrohr zu tanzen. Der Lehner müsste daher für den 25mm Propeller ideal sein.
Viele werden jetzt angesichts des Preises erst einmal schlucken, aber ich kann nur jedem raten einen solchen Motor mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Sie sind qualitativ mit das beste was man für Geld kaufen kann und samt Zubehör Made in Germany. Die Auswahl an Baugrößen und verfügbaren Windungszahlen(!) ist enorm. Lehner beliefert inzwischen nicht nur diverse Modellbausparten sondern auch die Industrie mit Motoren. Ich hatte schon diverse Lehner-Motoren in Booten, Hubschraubern und Flugzeugen und die haben immer sensationell gut funktioniert. Wenn man sie nicht überlastet halten sie ewig - der Motor in meinen alten ToysPort Joker ist über 10 Jahre alt! Und falls doch einmal etwas sein sollte, kann man sie schnell und unkompliziert reparieren lassen.
Auch fällt auf, dass diese hochwertigen 2-Pol Maschinen mit fast allen Controllern problemlos funktionieren, egal ob zu Wasser, zu Land oder in der Luft. Regler-Stress hatte ich mit Lehner-Motoren noch nie.
Zitat Lehner-Website: „Unsere Motorkonstruktionen liefern konzeptbedingt im Generatorbetrieb zwischen Phase/Phase ein annähernd perfektes Sinussignal. Dieses wird zur Auswertung vom jeweiligen Controller benötigt. Da dieses nicht verfälschte Sinussignal ideal ist, können praktisch alle marktüblichen Controller verwendet werden.“
Das Gulf Bingo-Race zusammen mit dem Lehner ist schon eine Augenweide. Und nach dem ersten Testlauf auf dem Wohnzimmertisch wurde klar das mein Geld gut investiert ist. Der Antrieb läuft rund und sauber wie eine Turbine. Überhaupt kein Vergleich mit den Motoren die ich bisher hatte, da liegen echt Welten dazwischen.
By the way: es ist inzwischen Ende Oktober geworden, ich habe schlauerweise meine Boote kurz vor Wintereinbruch reaktiviert. Das war es nichts mehr mit nach der Arbeit an den See weil stockdunkel. Aber der neue Motor musste natürlich getestet werden. Also machen wir heute Home-Office und in der Mittagspause geht’s dann schnell für eine Runde zum Dorfweiher.
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